Ostern, das bedeutet für viele Menschen vor allen Dingen, mit der Familie zusammen zu sein und eine schöne gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen – die Suche nach versteckten Geschenken ist dabei nicht nur für die Jüngeren unter uns ein großes Vergnügen. Doch steckt das Fest voller Symbole, die das Verhältnis von Menschen zu Tieren treffend charakterisieren. Zeit, diese Symbolik und ihre praktische Bedeutung genauer zu betrachten.
Das zentrale Symbol von Ostern ist das Ei. Das Ei als Versinnbildlichung des Lebens findet sich in vielen Kulturen wieder; ob im alten Ägypten, China oder Indien – stets stand das Ei symbolisch für den Akt der Schöpfung und als Verkörperung des Werdens. Das Ei kennzeichnet das Leben – es ist daher wenig verwunderlich, dass auch das Christentum diese inhaltliche Bedeutung des Eies aufgegriffen hat. Das Leben wird im Christentum charakterisiert durch Jesus Christus, der den Tod durch seine Wiederauferstehung überwindet. Es handelt sich um eine mächtige Symbolik, die für Hoffnung, für Lebensfreude und für ein Leben nach dem Tod steht.
Die symbolische Bedeutung des Eies
Dabei könnte die praktische Bedeutung des Eies nicht lebensverachtender und destruktiver sein. Schon von seiner physiologischen Seite her ist z.B. das Hühnerei mitnichten immer ein Akt der Schöpfung. Ein Ei ist das Ergebnis eines Eisprungs – nur eine Befruchtung führt dazu, dass aus einem Ei ein Huhn entsteht. So gut wie alle Eier, die heutzutage konsumiert werden, sind unbefruchtet. Betrachtet man die Praktiken der Eierproduktion genauer, so tritt der lebensverneinende Charakter noch offener zu Tage.
Hühner sind soziale Lebewesen, die eine Bindung zu ihrem Kind aufbauen, noch während es als Ei im Nest liegt. In der industrialisierten Eiproduktion – und diese macht den Großteil der konsumierten Eier und Eiprodukte aus – werden die Hennen auf Hochleistung gezüchtet. Wird einer Henne ihr Ei weggenommen, so legt sie ein neues. Diesen Mechanismus macht sich die Eier-Industrie zunutze.
Durch das Wegnehmen des Eies und durch gezielte Züchtung sind Hühnerrassen entstanden, die bis zu 300 Eier im Jahr legen (dagegen legt ein Huhn ohne das Wegnehmen der Eier maximal 20 Stück pro Jahr). Dies stellt eine enorme physische und psychische Belastung für die Tiere dar – ganz abgesehen davon, dass praktisch in jeder Haltungsform der Eiproduktion – von Käfighaltung bis Freilandhaltung – soziale Bedürfnisse der Hennen ebenso unberücksichtigt bleiben wie deren Bedürfnis nach Freiheit. So werden Hühner in der Freilandhaltung gehalten wie jene in der Bodenhaltung, haben allerdings pro Huhn einen Ausgang mit 4 Quadratmetern. In der Bodenhaltung, wo kein Auslauf vorhanden ist, werden bis zu 9 Hühner auf einem Quadratmeter gehalten.
Die gezielte Züchtung von Legehennen hat einen Nebeneffekt zur Folge, der verdeutlicht, dass das Ei als Symbol des Lebens ad absurdum geführt wurde: Hähne legen keine Eier und sind daher wirtschaftlich nicht rentabel. Sie werden als Küken vernichtet – durch Schreddern oder Vergasen. In Deutschland sind das jährlich immerhin ca. 50 Millionen Küken.[1] Betriebe müssen wirtschaftlich denken – deswegen werden Legehennen getötet, wenn sie nicht mehr „rentabel“ sind. Die Idee eines “Zweinutzungshuhns”, bei dem die männlichen Küken nicht getötet, sondern aufgezogen und dann, wenn sie schlachtreif sind, getötet werden, ist nicht etwa tierfreundlicher, sondern genauso zynisch, da die Tiere auch da nur als Ware betrachtet werden.
Kann eine Henne, wenn sie nicht geschlachtet wird, mindestens 6 Jahre alt werden, so sind es in der Intensivtierhaltung maximal 15 Monate (Legehennen) bzw. maximal 42 Tage (Masthühner).[2] Masthühner setzen dabei so viel Fleisch an, dass sie teilweise unter der Last ihres Gewichts zusammenbrechen und ihre Knochen brechen. Man braucht sich auch nicht von der gerühmten Freiland- oder Bodenhaltung täuschen zu lassen: Auch hier geht es letztlich um Wirtschaftlichkeit. Auch hier werden unrentable Tiere getötet, werden Tiere umzäunt und damit ihrer fundamentalen Freiheiten beraubt.
Auch in der Freilandhaltung findet das Schnabelkürzen statt – da die Tiere infolge der Haltungsbedingungen Verhaltensstörungen entwickeln, greifen sie sich gegenseitig an oder verletzen einander. Um das zu verhindern, wird nicht etwa der Platz für die Hennen erweitert, sondern ihre hochsensiblen Schnäbel werden ohne Betäubung abgeschliffen, was eine schmerzhafte Prozedur für die Hennen darstellt. Dabei sind Hühner intelligente und soziale Tiere. Zwar soll das Schnabelkürzen bald der Vergangenheit angehören, aber die grundlegenden Haltungsbedingungen, die die Bedürfnisse der Hühner massiv beschneiden, werden auch dadurch nicht geändert.
Mit der von der Industrie vorgegaukelten Idylle hat die Eierproduktion nichts zu tun. Das Bild unserer Frühstückseier, die vom Bauern nebenan kommen und bei dem die Tiere tun und lassen können, was sie wollen, entspringt eher unserem Wunschdenken als den tatsächlichen Haltungsbedingungen. Denn die Masse an Eiern, die deutsche Bürger*innen konsumieren, kann nur durch eine intensive Tierhaltung erzeugt werden (2016 lag der Pro-Kopf-Konsum bei 235 Eiern, was bei 82,8 Millionen Einwohner*innen 19,5 Milliarden Eiern entspricht).
Weitere Symbole – Kaninchen, Fisch und Lamm
Für die anderen symbolträchtigen Tiere sieht es nicht besser aus. Der Osterhase erfreut Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Er bringt und versteckt die Eier und die Geschenke – und wie wird es ihm gedankt? Er landet als Braten auf unserem Esstisch. Fast 30 Millionen geschlachtete Kaninchen pro Jahr. Auch hier werden die Tiere auf maximales Fleisch gezüchtet, in viel zu engen Käfigen gehalten und so schnell wie möglich geschlachtet.
2015/16 wurden 241’899 Feldhasen und 240’982 Wildkaninchen bei der Jagd getötet. Dabei vereint der Hase die ganze Widersprüchlichkeit unserer Gesellschaft: Er ist sowohl “Nutz”– als auch Haustier. Schweine und Kühe zu essen, während man Katzen und streichelt, ist bereits widersprüchlich und ohne plausibles Fundament. Diese willkürliche Kategorisierung wird durch den Hasen ins Absurde gesteigert.
Der Fisch besitzt ebenfalls eine lange Tradition und hat als Ausnahme vom christlichen Fastengebot Eingang in die besonderen Osterspeisen gefunden. Nicht wenige von uns essen an Karfreitag traditionell Fisch. Zahlen lassen sich hier nur ungleich schwieriger finden. Die schiere Masse an Fisch, die jährlich konsumiert wird, ist so riesig, dass ein individueller Fisch gar nicht mehr gezählt werden kann.
2015 wurden in Deutschland 1,15 Millionen Tonnen Fisch und “Meeresfrüchte” konsumiert. 14,1 kg Fisch konsumierten die Deutschen damit im Durchschnitt 2015. Die Folgen des globalen Fischfangs sind nicht erfreulich: die Mehrheit der kommerziell genutzten Fischbestände in den Weltmeeren ist überfischt oder steht kurz davor, wodurch nicht nur unzählige Fische leiden müssen, sondern ganze Ökosysteme kollabieren.
Jesus ist das Lamm Gottes. In dieser Symbolik steht das Lamm für die Opferung Jesu. Jesus opfert sich, um die Welt von ihren Sünden zu befreien. Dabei war es ein jüdischer Brauch, ein Lamm zu opfern, weshalb Jesus sich ebenso bezeichnete. Wir dagegen, soweit wir keine Christ*innen sind (und selbst dann wäre das Essen von Lamm nicht nötig), brauchen auf keine religiöse Symbolik zurückgreifen.
Das Essen von Lämmern bedeutet den Verzehr tierlicher Kinder. Und selbst ausgewachsene Schafe zu verzehren – 2012 wurden 1.085.000 Schafe für den Verzehr getötet -, weil es “Brauch” ist, zeugt weniger von reflektiertem und selbstständigen Handeln, sondern von Inkonsequenz, sich von barbarischen Bräuchen zu befreien. Das Lamm ist ein Symbol für Reinheit und friedliche Lebensweise. Wird das nicht konterkariert und ist geradewegs zynisch, wenn Lämmer und Schafe an Ostern sterben müssen?
Ist das der Respekt vor dem Leben, an den uns das Osterfest mahnen soll? Es ist schon lange bekannt, dass der Mensch weder Eier noch Fleisch oder Fisch für eine gesunde Ernährung braucht. Wenn wir diese Produkte konsumieren, dann also nicht, weil wir das tun müssten, sondern weil wir es so gelernt haben oder weil es uns angenehm ist. Kommen wir damit zur letzten Symbolik des Osterfestes: das Fasten.
Verzicht ist keine Entbehrung
Das Fasten wird von christlichen Menschen ebenso begangen wie von nicht christlichen. Viele dieser Menschen praktizieren das Fasten als eine Auszeit vom täglichen Konsum. In einer Gesellschaft, die den Überschwang und den Konsum so zelebriert wie die unsere, erscheint jeder Verzicht sofort als Selbstkasteiung. Dabei ist nichts unzutreffender, als den Nicht-Konsum von Eiern oder Fleisch als Verzicht zu betrachten. Denn es ist kein Verzicht im eigentlichen Sinne. Es ist eine bewusste Entscheidung, das Lebensrecht anderer über den Genuss an einem guten Essen zu stellen.
Wir alle „verzichten“ bereits, ohne dass damit ein Makel verbunden wäre. Oder käme jemand auf die Idee, den Nicht-Konsum von Hundefleisch oder von Insekten als „Verzicht“ zu bezeichnen? Wer sich bewusst mit dem eigenen Essen und dessen Herstellungsbedingungen auseinandersetzt, der kann den Nicht-Konsum von tierlichen Produkten nicht als Verzicht anerkennen, sondern nur als Bereicherung.
Das Ei gilt als Symbol des Lebens. Wir können es nicht mehr als solches anerkennen. Vielmehr ist es zum Inbegriff des Todes, zum Inbegriff der Lebensverachtung geworden. Aber wir haben die Möglichkeit, dem Ei seine ursprüngliche Bedeutung wiederzugeben. Leben kann nur dort wahrhaft gedeihen, wo es anderes Leben nicht unnötigerweise vernichtet. Ostern lehrt uns, das Leben zu schätzen. Nicht nur unser Leben, sondern das Leben aller leidensfähigen Lebewesen.
Eialternativen gibt es mittlerweile mehr als genug. Auch zum Backen sind längst keine Eier mehr nötig. Hier findet sich eine Auswahl an Eialternativen.
[1] | Landwirtschaftsminister Christian Schmidt kündigte für 2017 an, eine Technik zu etablieren, bei der vor dem Schlüpfen das Geschlecht des Huhns bestimmt wird, um so das Schreddern überflüssig zu machen. Es ist fraglich, ob dieses Verfahren 2017 kommt. Entscheidender ist aber, dass auch dieses Verfahren keineswegs “tierfreundlich” ist. Es ist ein Teil dessen, was Theodor W. Adorno und Max Horkheimer “instrumentelle Vernunft” genannt haben: Eine Vernunft, die nur noch die Mittel zur Erreichung bestimmter Zweck maximiert, diese Zwecke selbst aber nicht reflektiert. Auch das Aussortieren der Eier ist lebensverachtend und bewertet Lebewesen nur in Bezug auf ihren Wirtschaftlichen nutzen. Das freilich steht ganz im Einklang mit unseren Gesetzen. In Bezug auf das Kükenschreddern und dessen Verhältnis zum Tierschutzgesetz, dass einen vernünftigen Grund für das Töten eines Tieres voraussetzt, sah das Oberverwaltungsgericht Münster 2016 keinen Verstoß: “Die Aufzucht männlicher Küken der Legelinien stehe im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hoben die Richter hervor. Technische Verfahren, um nur noch Eier mit weiblicher DNA auszubrüten, seien noch nicht praxistauglich. Zudem sei die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken aus einer Legehennenrasse für die Brütereien mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden”. |
[2] | Es wird oft argumentiert, dass der Vergleich mit der natürlichen Lebenserwartung hinkt, da in der Natur die Hühner Fressfeinden, Krankheiten, Nahrungsmangel usw. ausgesetzt sind. Das ist zwar richtig, ändert aber nichts daran, dass in der Nutztierhaltung Hühner viel zu früh getötet werden und ihr Zweck lediglich ein wirtschaftlicher ist. Der Verweis auf Schutz durch die Intensivtierhaltung ist dabei zynisch, da die Alternative nicht lautet: Entweder Massentierhaltung oder Natur, denn die Tiere werden extra für die Ei- bzw. Fleischproduktion gezüchtet. |
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