Nährstoffreport Vegan: Omega3-Fettsäuren

Nährstoffreport Vegan: Omega3-Fettsäuren

Omega3-Fettsäuren sind ungesättigte Fette, die teils essenziell sind – also vom Körper nicht hergestellt werden können und daher mit der Nahrung aufgenommen werden müssen. Die bekanntesten Omega3-Fettsäuren, die für die menschliche Ernährung relevant sind, heißen Alpha-Linolensäure (ALA), Eicosapentaen-Säure (EPA) und Docosahexaen-Säure (DHA), um die es im Folgenden gehen wird.

Die wichtigsten Fakten vorab

Die kurzkettige ALA ist von den drei vorgenannten die einzige Fettsäure, die der Körper nicht generieren kann. ALA ist eine kurzkettige Fettäure, und sie kann auch dazu verwendet werden, zu EPA und DHA „verkettet“ zu werden. Daher nennt man EPA und DHA semi-essenziell („halb-essenziell“). Nun verwendet der Körper für die Omega3-Fettsäuren beim Verketten dieselben Enzyme und Transportwege wie die Omega6-Fettsäuren – letztere werden aber von den Enzymen bevorzugt. Was es deshalb zu beachten gilt, soll im Folgenden besprochen werden.

Was bewirken Omega3-Fettsäuren im Körper?

Die essenzielle, kurzkettige Omega3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA) und die semi-essenziellen, langkettigen Fettsäuren Eicosapentaen (EPA) und Docosahexaen (DHA) braucht unser Körper für die Gesundheit von Hirn und Nervenzellen, die Abwehr entzündlicher Prozesse und die Augengesundheit. Heranwachsende vom Fötus bis zum Kleinkind brauchen sie für eine normale Entwicklung – unser Gehirn besteht (vom Gewicht her gesehen) zu einem Drittel aus DHA, die ein wichtiger Bestandteil der Zellmembranen der Neuronen ist.

Dosierungsempfehlung

Die DGE empfiehlt, 0,5% der täglichen Energiezufuhr aus Omega3-Fetten zu beziehen. Das bedeutet etwa für einen 75 kg schweren Mann im Alter von 19-30 Jahren, der einen typischen Energiebedarf von ca. 2800 kCal hat, dass er 14 kCal aus Omega3-Fettsäuren beziehen sollte. Das entspricht 1-2 g Omega3-Fettsäuren pro Tag.
Allerdings ist es unmöglich, die Omega3-Zufuhr isoliert von den ebenfalls essenziellen Omega6-Fettsäuren (z.B. Linolsäure) zu betrachten. Diese konkurrieren mit den Omega3-Fettsäuren um dieselben Transportwege und Enzyme, die jedoch die Omega6-Fettsäuren “vorziehen”. Die Menge an Omega6-Fettsäuren, die man zu sich nimmt, sollte nicht das fünffache der Menge an Omega3-Fettsäuren überschreiten (Omega6:Omega3-Verhältnis 5:1). Davon ist der Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland allerdings weit entfernt, und besonders Veganer erreichen oft nur ein Verhältnis von 14 bis 20:1 von Omega6 zu Omega3 in ihrer Nahrung. Quellen von Linolsäure sollten Veganer daher kennen und nur moderat einsetzen, es zählen dazu:

  • Distelöl
  • Sonnenblumenöl
  • Weizenkeimöl
  • Maiskeimöl und
  • Sesamöl

Beim Sojaöl ist die Informationslage derzeit (August 2017) uneinheitlich: Während ältere Quellen von einem relativ günstigen Omega6 zu Omega3-Verhältnis von 6:1 sprechen, scheint sich das Verhältnis mit genetisch veränderten Soja-Pflanzen zu Gunsten von Omega6 auf 10:1 verschoben zu haben (Ref. https://www.ugb.de/forschung-studien/-sojaoel-fettsaeureverhaeltnis/). Wer in seiner Ernährung auf ein günstiges Omega6:Omega3-Verhältnis achten möchte, sollte bis zur Klärung der Sachlage Soja-Öl daher eher meiden. Möglicherweise wird sich ergeben, dass Bio-Sojaöle ok, konventionelle Soja-Öle aber eher ungünstig sind.

Welche veganen Lebensmittel enthalten Omega3-Fettsäuren?

Die langkettigen EPA- und DHA-Fettsäuren finden sich ausschließlich in Lebensmitteln aus dem Meer – man spricht daher auch von “marinen Omega3-Fettsäuren”. Erzeugt werden sie von Mikroalgen. Sie werden dann entlang der Nahrungskette von Fischen aufgenommen und reichern sich an. Die höchsten Konzentrationen finden sich daher in “beutegreifenden”, fetten Seefischen, in deren Fett sich bekanntermaßen aber auch Gifte aus dem Meer anreichern.
In terrestrischen Pflanzen findet sich ausschließlich die kurzkettige Alpha-Linolensäure ALA, die dann, wie bereits erwähnt, zu den langkettigen Fettsäuren EPA und DHA umgebaut werden kann.
Besonders gute Lieferanten von ALA sind unter anderem Leinsaat, Walnüsse, sowie deren Öle – Leinöl besteht zum Beispiel bis zu 70% aus ALA (vgl. Lachs: 2,6%). Auch Rapsöl und Hanföl zählen zu den ALA-haltigen Pflanzenfetten. Es ist allerdings heute noch nicht klar, zu welchem Prozentsatz der Körper ALA zu EPA und DHA umwandeln kann: Die Literatur spricht hier von so wenig wie 0,1%, bis hin zu 3,8%. Frauen scheint die Umwandlung besser zu gelingen als Männern (Schutz des Fötus in der Schwangerschaft!), und die Umwandlungsrate scheint zu steigen, wenn wenig oder kein EPA/DHA in der Nahrung zur Verfügung steht, wie eben naturgemäß bei Veganern. Wie gut die Umwandlungsrate wirklich ist, wirkt sich natürlich entscheidend auf die Verzehrsempfehlung aus – sind es, wie im besten Fall, 3,8%, so kann man mit zwei Esslöffeln Leinöl seinen täglichen Bedarf decken. Ist der korrekte Wert aber 0,1%, so bräuchte man hingegen knapp 725 g Leinöl täglich.

veganer omega3-Lieferant Walnüsse

Es lohnt sich also, einen

Blick auf den statistischen Ernährungsstatus

von Veganern zu werfen:
Es zeigt sich, dass Veganer entweder einen niedrigen, aber konstanten Blutplasma-Pegel an EPA/DHA aufweisen, oder sich im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sogar keine Unterschiede ergeben (Ref. EPIC-Norfolk-Studie).
Die Empfehlung lautet für Veganer daher, Leinsaat, Walnüsse oder deren Öle in die Ernährung zu integrieren und gleichzeitig die Verwendung von Omega6-haltigen Lebensmitteln/Ölen zu beschränken.
Wer seine Versorgung mit langkettigen Omega3-Fettsäuren optimieren möchte, kann zu veganen Supplementen greifen, die aus Öl aus Algen oder Hefen bestehen – empfohlen werden hier nicht mehr als je 250 mg DHA und EPA pro Tag. Vor einem übermäßigen Konsum von ungesättigten Fettsäuren aus Supplementen wird gewarnt, da diese Fettsäuren leicht oxidieren und die entstehenden Produkte sich zellschädigend auswirken können. (Ref.: Leitzmann/Keller [1], Seite 251)

Update (Oktober 2017): Die European Food Safety Authority (EFSA) hat 2012 auf Nachfrage der EU-Komission eine Stellungnahme zum oberen Toleranzwert für die tägliche Zufuhr von Omega3-Fettsäuren veröffentlicht [2]. Die EFSA stellte fest, dass die verfügbaren Daten unzureichend sind, um ein sicheres Limit genau festzulegen. Man konnte aber feststellen, dass bis zu 5 Gramm DHA/EPA in Kombination pro Tag, oder bis zu 1,8 Gramm EPA allein, oder 1 Gramm DHA allein dem Anschein nach das Risiko für Erwachsene für unerwünschte Nebenwirkungen nicht erhöhen. Zu den bekannten Nebenwirkungen einer langfristigen Überdosierung zählen spontane Blutungen, Komplikationen bei Blutungen und Probleme bei der Regulation des Blutzuckerspiegels. Die oben genannte Dosis von 5 Gramm gilt als sicher, sofern die oxidative Stabilität der Fettsäuren gegeben ist – heisst: Die eingenommenen Öle dürfen nicht ranzig sein, was ja gerade bei Ölen in Flaschen ein Problem ist.

Die EFSA weist in ihrem Paper darauf hin, dass eine Tagesdosis von 250 bis 500 mg täglich für die Deckung des Bedarfs gesunder Menschen ausreichend erscheint. Studien, die therapeutische Effekte von EPA/DHA (Blutdrucksenkung, entzündungshemmende Wirkung) feststellen konnten, bescheinigten diese ab Dosen von 2-4 Gramm pro Tag (EPA/DHA kombiniert). Die therapeutischen Wirkungen hoher EPA/DHA-Dosen sind allerdings noch nicht so substantiiert, dass Hersteller entsprechender Supplemente in der EU damit für ihre Produkte werben dürften.

Wer die langkettigen Fettsäuren direkt zu sich nimmt, muss übrigens auf ein bestimmtes Verhältnis von Omega3 zu Omega6 in seiner Nahrung keine Rücksicht mehr nehmen, weil eine Konkurrenz im Verkettungsprozess dann ja keine Rolle mehr spielt.

Wie fühlt sich Omega3-Mangel an?

Die Auswirkungen eines Mangels an Omega3-Fettsäuren bei Erwachsenen werden in der Medizin nach wie vor diskutiert. Bei Kindern ist die Bedeutung für Wachstum und Entwicklung unumstritten – Omega3-Fettsäuren werden daher heute der Säuglingsnahrung zugesetzt.
Das einzige wirklich greifbare Symptom für einen Mangel an Omega3-Fettsäuren bei Erwachsenen scheinen trockene Augen zu sein. Darüber hinaus diskutiert die Medizin allerdings eine Rolle von Omega3-Fettsäuren für Intelligenz, Konzentration, gesunden Schlaf, sowie bei neurologischen Störungen wie Schizophrenie, Alzheimer, Depressionen und ADHS.
Die Annahme, dass Omega3-Fettsäuren für die Herz-Kreislauf-Gesundheit eine Rolle spielen, gilt seit 2013 als widerlegt (Ref. PubMed).

Bemerkenswertes

  • Fische stellen die essenziellen Fettsäuren nicht selbst her – Zuchtlachs ohne Omega3-Suppelement in Form von (Fisch-)Öl im Futter liefert praktisch kein DHA und EPA
  • Omega3-haltige Öle wie Leinöl verderben leicht (Leinöl zum Beispiel um den Faktor 2500 schneller als gesättiges Fett) – ihre Haltbarkeit lässt sich jedoch verlängern, indem man sie einfriert
  • Leinöl in ganzer Leinsaat ist von Natur aus gut gegen Verderb geschützt – und selbst frisch geschrotete Leinsaat daher eine empfehlenswerte Omega3-Quelle
  • Omega3-Fischöl-Kapseln sind inzwischen ein Milliardengeschäft. Bitte daher bei der Recherche von Informationen zu Omega3 aus dem World Wide Web ganz besonderes Augenmerk auf die Quelle und die Aktualität legen.

Zusammenfassung

Einige Aspekte der Versorgung mit Omega3-Fettsäuren auf rein pflanzlicher Basis sind noch Gegenstand der Forschung. Statistisch erreichen Veganer*innen ohne Supplemente im Schnitt denselben – schlechten – Omega3-Versorgungsstand wie durchschnittliche Mischköstler*innen.
Wer seine Versorgung ohne Supplemente optimieren möchte, sollte im Speiseplan auf den reduzierten Einsatz von Omega6-Quellen und gezielte Aufnahme von Omega3-Quellen achten. Wer zu veganen Supplementen aus Algenöl greift, sollte die empfohlene Tagesdosis von je 250 mg DHA/EPA nicht überschreiten. In der Schwangerschaft und bei Kleinkindern sollte auf eine gute Versorgung mit Omega3-Fettsäuren besonders geachtet werden.

Auswahl weiterführender Quellen

Deutsch

Englisch

Dr. Michael Greger fasst hier und hier Studien zu Omega3/Fischöl zusammen
Das Fazit daraus: in Bezug auf Herzinfarkt, plötzlichen Herztod und Schlaganfall hat der Konsum von fettem Fisch oder Fischölkapseln keinen Effekt.

Literaturempfehlung

[1] Leitzmann/Keller: Vegetarische Ernährung, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 3, Auflage (2013) ISBN: 978-3-8252-3873-5
[2] EFSA: Scientific Opinion on the Tolerable Upper Intake Level of eicosapentaenoic acid (EPA), docosahexaenoic acid (DHA) and docosapentaenoic acid (DPA)