Adventskalender „Don’t go Pollmer!“ Tür 10: „Märchen: Wölfe sind ganz lieb”

Adventskalender „Don’t go Pollmer!“ Tür 10: „Märchen: Wölfe sind ganz lieb”

Kurzzusammenfassung:

In diesem Kapitel vergleichen die Autoren tatsächlich Wölfe und Menschen und versuchen herzuleiten, dass es ein logischer Fehlschluss sei, wenn der Wolf doch Tiere reißen darf, der Mensch aber nicht.
Der Wolf „sei außerdem kein gelernter Metzger, der darauf achtet, dass das liebe Vieh nicht unnötig leidet.“ Darüber hinaus sei es doch schon sehr verwunderlich, wie Wölfe aus Italien plötzlich in die Mitte Deutschlands kommen. Hat da vielleicht ein Tierfreund nachgeholfen? Erfahrt mehr dazu in unserem Artikel.

Ihr wisst nicht worum es geht? Hier geht es zur Einleitung und hier geht es zur sechsten Tür des Kalenders „Olé, olé, olé: Der Stierkampf sollte verboten werden„.

„Märchen: Wölfe sind ganz lieb“

Dem Wolf das Schaf, dem Mensch das Gras

Dem Märchen vom lieben Wolf versuchen die Autoren hier das Märchen vom bösen Wolf entgegenzusetzen – Extreme verkaufen sich eben.

Und es geht gut los. Tierrechtler*innen geraten laut der Autoren „geradezu in Ekstase“, wenn es um die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland ginge. Und wer kennt sie nicht, die Szenen auf den Straßen, die Massenzusammenkünfte von Tierrechtler*innen, die nach dem Verlesen jener guten Nachricht, dass Wölfe wieder angesiedelt werden sollen, anfangen zu tanzen, sich ekstatisch in Freude wiegen oder kreischend in Ohnmacht fallen, ganz so, als wären die Boybandzeiten der 1990er zurückgekehrt.

Die Menge tobt: die ersten Wölfe haben sich wieder in Deutschland angesiedelt!

Wieder einmal ist auf die Sprache hinzuweisen, die von den Autoren gezielt genutzt wird, um Stimmung zu machen. Eine Sprache, die das Argument ersetzen soll. Hierzu sei erneut noch einmal auf Wehling verwiesen.
Der erste Einwand der Autoren gegen die Ekstase sei nun wieder, dass diese Wölfe doch aber auch Tiere reißen würden. Zwar zum Überleben, aber der Mensch müsse dies doch auch. „Der hungrige Mensch könne als Allesfresser stattdessen auch genüsslich ins Gras beißen.“ Metaphern des Todes statt Argumente. Was die Autoren übersehen, sind zwei Dinge. Zum Einen den Umstand, auf den sie selbst verweisen, wenn sie vom Menschen als „Allesfresser“ sprechen. Der Mensch ist also eben NICHT auf tierische Nahrungsmittel angewiesen([1], [2]), er KANN sie lediglich auch verwerten, so dass der Vergleich hier schon hinkt. In der Einfachheit des Einwandes, den die Autoren hier vorlegen, macht es eben einen Unterschied, ob ich dem Wolf sein Fleisch wegnehme oder dem Menschen. Ersterer hat dann nichts mehr zu fressen, Letzterer schon.

Zum Anderen wird hier mit einem Ausnahmeszenario argumentiert. Der verhungernde Mensch kann auch moralisch anders handeln, als der, der nicht verhungert. Stehlen finden wir auch prinzipiell(!) schlecht und unmoralisch. Bei einem Menschen, der stiehlt, um nicht zu verhungern, sieht es schon anders aus. Es ist eben eine prinzipielle Regel, sie gilt prima facie, also bis auf Weiteres und Widerruf, besonders in Ausnahmesituationen, die eben anders sind, als die Situationen, an die man bei dem Aufstellen der Regel dachte. Das gilt auch für körperliche Gewalt oder das Töten. Prinzipiell verboten und moralisch abgelehnt, gibt es doch Umstände, in denen wir es tolerabel oder zumindest diskutabel finden, in Notwehr zum Beispiel. Zu viel Differenzierung schadet aber dem Einwand der Autoren und unterbleibt auch hier.

Der Mensch ist des Schafes Wolf oder der Wolf ist des Menschen Schaf, ja wie denn nun?

Als nächstes geht es den Schafen an den Kragen, denn die stünden auf dem Speiseplan der Wölfe. Dass die Tierrechtler*innen, von denen sie sprechen, in der Regel gegen die Schafshaltung sind, wird unter den Tisch fallen gelassen und dem Tierrechtler zweierlei Maß unterstellt. Zugleich wird die Schuld dem Wolf aufgelegt. Er sei Schuld, dass die Schafe, die sich der Mensch hält, nun nicht mehr sicher seien, ganz so, als wäre die Schafzucht das Paradies für diese Geschöpfe. Sicherungsmaßnahmen seien nun teuer und nicht überall ausreichend möglich. Alternative Versuche wie die „Erziehungsmaßnahmen“ mittels Brandzeichen werden jedoch lächerlich gemacht, denn aus Sicht der Autoren DARF es ja keine Möglichkeit geben, dieses Problem zu lösen, außer, man rottet den Wolf wieder aus. Und so bleibe der Konflikt, dass man zwar Wölfe im Land wolle aber „diese sollen nicht so sein, wie sie sind“. Und wie die sind, das wissen die Autoren dank ihres umfangreichen ethologischen Studiums freilich genau. Die Frage ist nur, wieso nutzen sie dieses Argument nicht auch bei den Schafen, anderen „Nutztieren“ oder gar Haustieren? Man will die Tiere gerne haben, aber sie sollen sich nicht gegen Gefangenschaft und Tötung wehren, sie sollen an Leinen gehen und sich menschgemachten Verhaltensweisen unterwerfen, sie sollen also nicht so sein, wie sie sind. Absurd das Ganze. Wenigstens haben die Autoren das erkannt.

Da dies aber nun alles nicht möglich oder gewollt sei, ist das Schicksal der Schafe besiegelt, sie werden sterben. Dass dies auch durch den Menschen geschehen würde, verschweigen die Autoren an dieser Stelle. Sie kommen erst auf dieses Thema zu sprechen, wenn es um die Grausamkeit des Wolfes geht, der eben nicht so fachmännisch zu Werke gehe wie der Metzger. Eine äußerst zynische Aussage, wo doch einerseits dieses Effizienz quantitativ ein Vielfaches an Tötung bedeutet (der Mensch tötet weit mehr Schafe als der Wolf) und qualitativ eben keineswegs dieser Vorstellung entspricht, wenn man sich den Alltag des Schlachtens ansieht. Außerdem ist es höchst ambivalent, da die Autoren gegen die nicht fachmännische Tötung – ja sogar dem Zelebrieren des Leids – eines Stieres beim Stierkampf nichts verwerfliches finden, ja sogar Positives hervorzuheben wissen.
Ebenso betrachten die Autoren die Frage nach dem Wolf rein ökonomisch. Die Landwirt*innen interessiert auch das Wohl “ihrer” “Nutztiere” nur, insofern diese vermarktet werden können. Alternativen werden nicht erwogen, weil sie zu teuer sind. Es ist viel einfacher, Wölfe einfach zu erschießen als Zäune zu errichten, Herdenschutzhunde anzuschaffen, in alternative Forschung zu investieren oder gar mit der Tierhaltung aufzuhören. In Kapitel 6 nehmen die Autoren die Aussage “Jäger sind Mörder” unter die Lupe, und sprechen sich für die Jagd aus. Dass Jäger*innen damit argumentieren, dass die natürlichen Fressfeinde der Wildtiere ausgestorben seien, und diese deshalb “reguliert” werden müssten, der Wolf aber eben einer jener Fressfeinde ist, der zur Regulation beitragen könnte, ist irrelevant. Denn der Wolf reißt unsere “Nutz”tiere! Als gibt es nur eine Option: Schießen, sofort schießen! Es passt dazu, zu ignorieren, dass die Wolfsangriffe verhältnismäßig abgenommen haben.

Eine (sehr) kleine (und verkürzte) Geschichte der Angst vor dem Wolfe

Warum fürchten sich nun Menschen vor dem Wolf, fragen die Autoren. Das muss ja Gründe haben. Ob diese berechtigt waren oder gar noch sind, spielt keine Rolle. Es gibt sie und damit ist klar, sie sind berechtigt. Wer Angst hat, hat Recht. Da mir vor der „Argumentation“ der Autoren gruselt, steht dann auch endlich mal fest: ich habe Recht!
Die Furcht vor dem Wolf finde nun aber ihren Ursprung in der Tollwut, die er übertrage. Bestimmte kulturelle Denkmuster wie die des „Werwolfs“ oder bereits sehr früh vorherrschende ökonomische Interessen an der Ausrottung von als „Schädling“ deklarierten Spezies werden ignoriert. Dass die Wolfsfurcht sich vor allem aus der Tradierung bestimmter Vorstellungen speist, die nicht allein auf die Tollwut zurückzuführen sind, ist den Autoren ebenso egal, wie der Umstand, dass dies heutzutage mit wirksamen Tollwutbekämpfungsmitteln eine weit geringere Rolle spielt. Damit entlarven sie die Angst vor dem Wolf, ohne es zu merken, als zumindest heutzutage unberechtigt.
Also lieber schnell zum Abschluss noch einen Sündenbock suchen und Ängste schüren. Denn wo kommen denn plötzlich alle die Wölfe her? Ganz klar, Schlepperbanden von Tierfreunden! Wer sich etwas nicht erklären kann und zu faul ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, der erfindet sich seine Erklärung einfach selbst. Und ganz nebenbei (re)produzieren die Autoren hier gleich noch Vorstellungen von durch „Schlepper“ über die Grenzen eingeschleuste Gefahren. Die AfD wird’s freuen.