Veredelungsverlust in der Tierindustrie

Veredelungsverlust in der Tierindustrie

Die Tierproduktion ist heute die mit Abstand größte von Menschen ausgehende Art der Landnutzung. 75% aller landwirtschaftlich genutzten Flächen (Acker- und Weideflächen) dienen der Tierproduktion. Die Tierproduktion ist lt. FAO für rund 18% der gesamten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich [3].

Die Suche nach alternativen Treibstoffen beginnt ebenfalls im substanziellen Maße, Ernteerträge zur Erzeugung von Bio-Treibstoffen abzuzweigen (um die 6% der Weltproduktion bereits 2010).

Angesichts der Milliarden Menschen, die in der Zukunft mehr ernährt werden wollen, ist diese Verwendung der Ressourcen absolut nicht nachhaltig. Dies zeigte die Studie „Redefining agricultural yields: from tonnes to people nourished per hectare“ [1] – auf Deutsch etwa: “Neudefinition landwirtschaftlicher Erträge: Von Tonnen zu ernährten Menschen pro Hektar” bereits in 2013. Wichtige Aspekte daraus fassen wir hier hier knapp zusammen.

Methoden

Für diese Studie haben die Forscher Satellitenbilder ausgewertet, um Ackerland zu kartieren. Sie verwendeten auch nationale Daten von Ländern der ganzen Welt über die Verwendung der Ernten, um festzustellen, was die Länder produzieren, und welche prozentualen Anteile der Ernten in welcher Weise verwendet werden.

Resultate

Indien, China, Brasilien und die USA repräsentieren ungefähr 43% der Welterntefläche und stehen zusammen für 48% der weltweiten Kalorienproduktion.

Verwendung der Ernten – gesamtes Protein

Indien, China, Brasilien und die USA repräsentieren ungefähr 43% der Welterntefläche und stehen zusammen für 48% der weltweiten Kalorienproduktion.

menschliche Ernährung Tierfutter andere Zwecke*
Indien 77% 18% 5%
China 50% 42% 8%
Brasilien 16% 79% 5%
USA 14% 80% 6%
*industrielle Verwendung und Bio-Treibstoffe

Für die Betrachtungen der Studie wurde ausschließlich Tierfutter berücksichtigt, das auf Ackerland angebaut wurde, und nur solche Pflanzen(teile), die für den Menschen direkt verwertbar sind. Weiden, Futterpflanzen und Ernterückstände wurden nicht berücksichtigt.

Effizienz der Konversion

Analysieren wir die Konversionsraten von Futter in Tierprodukte, um zu verstehen, warum das Verfüttern von ohne Weiteres für Menschen geeigneter Nahrung an Tiere zur Lebensmittelgewinnung unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit problematisch ist.
Zum Verständnis – 10% Kalorien- oder Protein-Konversionseffizienz bedeutet: Nachdem einem Tier 100 Kilokalorien bzw. 100 g Protein gefüttert werden, bekommt man 10 Kilokalorien bzw. 10 g Protein als Tierprodukt zurück. Hier spräche man von einem „Veredelungsverlust“ von 90%.

Effizienz der Konversion von Kalorien (Futter in andere Produkte):

40% bei Molkereiprodukten
22% bei Eiern
12% bei Hühnerfleisch
10% bei Schweinefleisch
3% bei Rindfleisch

Umwandlungseffizienz Futter zu Tierprodukten

Effizienz der Konversion von Protein (Futter in andere Produkte):

43% bei Molkereiprodukten
35% bei Eiern
40% bei Hühnerfleisch
10% bei Schweinefleisch
5% bei Rindfleisch

Wieviel kommt bei den Menschen an?

Die folgende Grafik bietet eine Übersicht darüber, wie sich die Menschen rund um die Welt ernähren. Grünere Flächen repräsentieren stärker pflanzenbasierte Ernährungsformen, stärker rote Flächen eher fleischbasierte Ernährungsformen, oder deuten auf starken Export von Tierfutter hin. Eine stärkere Grünfärbung bedeutet höhere Effektivität in der Umsetzung von produzierten zu konsumierten Kalorien, was auch eine direkte Konsequenz der Ernährungsweise ist – je höher der Fleischanteil, desto schlechter die Effektivität.

Veredelungsverluste - wieviele der auf dem Acker produzierten Kalorien kommen auf den Tellern an?Anteil der auf den Äckern produzierten Kalorien, die im Ernährungssystem ankommen

Quelle: http://iopscience.iop.org

Wenn man die Ernten den Menschen direkt zugute kommen ließe und auf Bio-Treibstoff verzichtete, bedeutet dies am Beispiel der vier oben genannten größten Erzeugerländer:

  • Die indischen Flächen ernähren derzeit rund 5,9 Menschen pro Hektar und könnten 6,5 Menschen ernähren.
  • China ernährt 8,4 Menschen pro Hektar, aber könnte 13,5 Menschen ernähren.
  • Brasilien ernährt 5,2 Menschen pro Hektar, aber könnte 10,6 Menschen ernähren.
  • Die USA ernähren 5,4 Menschen pro Hektar, aber könnten 16,1 Menschen ernähren.

Fazit

Global gesehen werden ca.9,5 Billiarden Kalorien [4] in Pflanzenform produziert, von denen 55% direkt in den menschlichen Verbrauch gehen.
36% dieser Kalorien werden an Tiere verfüttert, von denen 89% wegen der Ineffizienz der Erzeugung von tierlichen Produkten verloren gehen. Die restlichen 9% der Kalorien sind für die Ernährung komplett verloren, weil sie für Bio-Treibstoffe und industrielle Anwendungen eingesetzt werden.

Insgesamt gehen so 41% der Ernten verloren.

Eine Billiarde Kalorien genügen, um ungefähr eine Milliarde Menschen mit 2700 Kalorien pro Tag ein Jahr lang zu ernähren. Eine komplett pflanzliche Ernährung würde es ermöglichen, mit den heutigen Ernten 4 Milliarden Menschen mehr zu ernähren, als es heute gelingt.

Quellenangaben

[1] Emily S Cassidy et al 2013 Environ. Res. Lett. 8 034015
https://doi.org/10.1088/1748-9326/8/3/034015
[2] Weltweiter Landbedarf für Tierprodukte – TheVactory 2016
https://hosting187280.ae8d0.netcup.net/VAC/landbedarf-tierprodukte/
[3] Livestock’s Long Shadow, FAO 2006
http://www.fao.org/docrep/010/a0701e/a0701e00.HTM
[4] Anmerkung: Es geht um 9,5 x 1015 Kalorien. Es besteht hier die Gefahr eines Missverständnisses, da in der Studie von „Quadrillions“ die Rede ist. Angloamerikansiche „Quadrillions“ sind in der deutschen Sprache „Billiarden“.
Umsetzung grafisches Konzept & Feinschliff: Illith Powers.

3 Kommentare

  1. Max Grassfed

    Eine Ergänzung der Vollständigkeit halber.
    Die Effizienz und Welternährung ist kein Argument für den Veganismus, sondern lediglich für die Unterlassung bestimmter Praktiken der Tierhaltung und Fütterung.

    Nicht unbeachtliche Flächen sind für eine Bewirtschaftung als Ackerland kaum geeignet, sehr wohl aber zur Produktion von Fleisch und Milch, und nicht unbeachtliche Mengen an Agrarprodukten und Koppelprodukten sind für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder zumindest unerwünscht, sehr wohl aber als Tiernahrung verwendbar.
    (Ich denke hier vor allem an durch Wetter in der Qualität geminderten Weizen oder an Schrot aus der Gewinnung von Soja-, Raps-, Sonnenblumen- oder anderen Ölen)

    Ebenso wie Gesundheitsargumente und Umweltargumente muss dieses Effizienz Argument nicht zu der ethischen Position des Veganismus führen.

    LG
    Max Grassfed

    1. Hans Jürgen Mennecke

      Danke für den Beitrag, Max Grassfed.
      Dazu folgende Anmerkungen:

      Anzunehmen, dass für die globale Ernährung mehr zur Verfügung steht, wenn Produkte verfüttert werden, die für den menschlichen Konsum nicht direkt geeignet sind, liegt auf der Hand. Dennoch sollte man an der Stelle nicht aufhören und hinschauen, wieviel zusätzlichen Beitrag zur Welternährung diese Ressourcen denn eigentlich leisten. Dann kann man bewerten, ob das ein sinnvoller Beitrag ist, oder ob man die Flächen nicht im Sinne der Erhaltung der ohnehin stark bedrohten Biodiversität und im Sinne des Klimaschutzes anderen Nutzungen zuführen sollte.

      Klammern wir Produkte wie Sojaschrot und nicht als „Brotgetreide“ geeignete Ernteteile für den Moment aus der Betrachtung einmal aus. Um das wirklich bewerten zu können, bedürfte es einiger Recherche: Soja(-extraktions)schrot etwa gehört nicht zu der Gruppe von Produkten, die für die menschliche Ernährung nicht geeignet wäre – es ist der Rohstoff für jegliches Sojaprodukt. Beim Getreide sind mir die Anteile der Ernten von als Brotgetreide gedachtem, aber nicht als hochwertig genug einzustufenden Getreides nicht bekannt. Es werden auch Flächen eigens für Futtergetreide wie Triticale genutzt, auf denen problemlos auch anderes Getreide wachsen könnte – wie groß die weltweit sind, müsste man für eine Bewertung ebenfalls recherchieren.
      Zudem möchte ich behaupten, dass die genannten Rückstände aus der Gewinnung von Pflanzenölen durchaus mit mehr oder minder großem (technischem) Aufwand zu menschlicher Nahrung verarbeitet werden könnten, wenn andere omnivore Lebewesen sie schon direkt verwerten können. Es ist einfach derzeit nur billiger, sie durch Tiere zu schleusen.

      Betrachten wir also lieber das, was Menschen definitiv nicht direkt verwerten können, nämlich Zellulose – wie etwa in Gras, und diese als „Dauergrünland“ geführten Flächen sprichst Du ja auch an. Wie groß die sind, hat Albert in 2016 schon einmal genau recherchiert, in https://hosting187280.ae8d0.netcup.net/VAC/landbedarf-tierprodukte/

      Gras können Wiederkäuer wie Rinder recht effizient verwerten. Wir sollten uns also einmal anschauen, wieviel die Produkte der Haltung von Rindern – Milchprodukte und Rindfleisch – zur Welternährung beitragen.
      Man stellt auf Basis der FAO-Daten schnell fest, dass Rindfleisch kaum mehr als ein Prozent zum Weltkalorienaufkommen beiträgt (vgl. https://www.nationalgeographic.com/what-the-world-eats/), und Milchprodukte ca. 5% – dies allerdings unter Zufütterung von gut 30% der weltweiten Weizenernten und unter Einsatz von Soja. Wieviel bliebe davon übrig, liesse man die Zufütterung dieser hochwertigen Proteinquellen weg und setzte nur auf Weidehaltung?

      Dem gegenüber stehen die großen Weideflächen – die im übrigen nicht einfach schon da sind und schulterzuckend nicht anders genutzt werden könnten, sondern die durch
      Rodung von Regenwald weiter vergrößert wurden und werden.
      Diese Weideflächen sind mitnichten nur für Tierhaltung geeignet, wie ein Artikel in Global Food Security Vol. 14, September 2017 klar macht. Wir haben die Zahlen daraus hier mal extrahiert: https://docs.google.com/spreadsheets/d/1faEEtr265W3fM3HUKpwZRvVjwsa1CqqY-vy2RzhfuHE/edit?usp=sharing/

      Demnach wären über 41% des weltweiten Graslands durchaus für Ackerbau geeignet – statt dessen werden aber fast 85% dieser 1.085 Millionen Hektar als Weide genutzt. Nur 34,66% der Graslandflächen können tatsächlich nicht für Ackerbau genutzt werden und werden auch beweidet.

      Zusammengefasst: Unterließe man die Zufütterung von „so genannten Abfallprodukten“ an Wiederkäuer, und stellte man sie ausschließlich auf Flächen, die sich für nichts anderes als Beweidung eignen, so würde deren Beitrag zur Welternährung völlig bedeutungslos. Die Flächen, die heute als Weiden genutzt wären, hätten vermutlich einen größeren Nutzen, wenn man sie im Sinne der Artenvielfalt gar nicht nutzt.

      Insoweit ist es durchaus „zu Gunsten von Mensch, Tier und Umwelt“, wie es in der Definition des Veganismus heisst, auch Weidehaltung von Wiederkäuern einfach zu lassen. Eine Erörterung darüber, Ackerflächen ineffizient für Tierfutter zu nutzen, erübrigt sich sicher.