Vegan werden ☆ 10-Stufen-Programm

Vegan werden ☆ 10-Stufen-Programm

Vegan werden kann (fast) jeder – das haben schon ganz andere hinbekommen.
Ein bisschen Präparierung ist aber auf jeden Fall angesagt, wenn das ganze ohne körperliche, emotionale und mentale Blessuren vonstatten gehen soll. Im Folgenden daher eine kleine Richtschnur und gleichzeitig Sneak Preview aus meinem anstehenden 2. Buch. 😉

  1. Die Entscheidung treffen
    Das ist der erste Schritt. Bei vielen VeganerInnen gaben seinerzeit Dokumentarfilme über die sogenannte Nutztierhaltung, Schlachtung und Tierversuche den Ausschlag. Auf dem Weg kann man sich auch gleich die Illusion zerplatzen lassen, sich auf „Ich kauf ja nur Biomilch/eier/fleisch“ auszuruhen.
    Ein Abend auf YouTube macht es einem da möglicherweise deutlich leichter, die Entscheidung für einen veganen Lebensweg zu treffen.
    Auch gibt es hilfreiche Bücher, in denen die AutorInnen die ethische Diskrepanz und die Verdrängungsmechanismen aufzeigen, die es an sich empathischen und intelligenten Menschen ermöglichen, atmende und fühlende Lebewesen auszubeuten und zu essen – oder die einfach über ihren eigenen Weg hin zum Veganismus schreiben.
    Ich plädiere immer für einen ethischen Veganismus, aber in manchen Fällen macht auch eine Ernährungsumstellung in Richtung Pflanze aus gesundheitlichen Gründen Sinn, z.B. bei rheumatischen Gelenkerkrankungen, erhöhten Cholesterinwerten und Bluthochdruck, testweise auch bspw. bei Neurodermitis und Heuschnupfen. Allerdings ist für den Gesundheitsaspekt normalerweise keine vollständig vegane Ernährung notwendig, sondern nur eine vollwertige, überwiegend pflanzliche, unter Vermeidung vor allem von Fetten aus Säugetieren und Vögeln. Je größer der Leidensdruck bereits ist, desto größer sollte die intrinsische Motivation ausfallen.
  2. Den Weg wählen
    Manche werden von jetzt auf sofort vegan – teils sogar unter Übersprung des Vegetarier-Zwischenschritts. Bei anderen (z.B. mir) war es ein langsamer Prozess mit fließendem Übergang. Beides ist in Ordnung, das ist einfach eine Typfrage. Für den einen ist es wichtig, dass es eine dynamische Eigenentwicklung, organisch gewachsen, von innen heraus ist, anstatt sich überstürzt und nur vom Kopf gesteuert in die Angelegenheit zu stürzen. Für die andere ist es wichtig, einen klaren Strich zu ziehen und so gar nicht in die Situation zukommen, bei jedem nicht-veganen Essen abzuwägen, ob das jetzt nochmal in Ordnung ist oder man es doch eigentlich lassen sollte.
    So oder so ist es aber unerlässlich, sich vorher gut zu informieren – das gilt besonders, wenn man noch im Wachstum ist, von höherem Alter, schwanger, stillend oder bestimmte chronische Krankheiten hat!
    Des Weiteren gibt es verschiedene Stufenmodelle: z.B. zu Hause schon voll vegan zu essen, auswärts nötigenfalls erstmal nur vegetarisch. Den Veganismus zunächst nur auf die Ernährung anzuwenden. Oder nur nach Zutatenliste zu gehen und etwaige verstecktetierische Zutaten oder Produktionshilfsmittel außen vorzulassen.
    Wenn die Motivation eher in Richtung gesundheitlicher Vorteile geht, kann man sich auch überlegen, das Ganze vorerst als einen Testballon zu starten mit einer zeitlichen Begrenzung von z.B. 1 oder 2 Monaten, um zu sehen, ob es einem hilft. (und in der Zeit kann man sich ja trotzdem mal mit dem Thema Ausbeutung von sogenannten Nutztieren auseinandersetzen und den ökologischen Effekten auf den Planeten, die da mit dranhängen)
  3. Standortbestimmung & Routenplanung
    Wenn die Entscheidung gefallen ist, macht es Sinn, erstmal den Status Quo zu checken. Wie sieht die bisherige Ernährung aus? Was davon ist bereits pflanzlich und für was müssen Alternativen gefunden werden? Auch ist es eher keine so gute Idee, dass wenn man sich bisher vor allem von McDonalds und Tiefkühlpizza ernährt hat, jetzt auf der Stelle auf low-fat Rohvegan umzusatteln, überspitzt ausgedrückt. Die Verdauung, inkl. der Darmflora, braucht seine Zeit, um sich an die neuen Anforderungen anzupassen.
    Also: Auch wenn man die Sofort-Umstiegsvariante wählt – anstatt den gesamten Speiseplan einmal komplett auf links zu krempeln, lieber erstmal nach veganen Alternativen Ausschau halten, die von der Beschaffenheit im Sinne der Nährstoffverteilung grob an die bisherige Verpflegung angelehnt sind. Und dann ggf. nach und nach modifizieren.
  4. Einkaufsafari
    Ja, es ist natürlich sehr viel unkomplizierter, wenn man in jedes Lebensmittelgeschäft der Wahl marschieren kann, um sich alles auf direktem Wege in den Einkaufswagen zu packen, was einen anlacht. Das geht als VeganerIn nun nicht mehr so ohne weiteres. Was von jetzt an auf dem Plan steht: Zutatenlisten checken. (was ich aber ohnehin eine sinnvolle Angewohnheit finde, ernährungslagerübergreifend)
    Am Anfang mag man sich vielleicht noch verloren vorkommen, weil man überhaupt nicht weiß, wo man was findet und was man nun ‚darf‘ und was nicht. Aber das ist nur am Anfang so. Bald hat man den Überblick, wo was steht, was es alles gibt und welche Ecken und Regale man pauschal umschiffen kann.
    Wer ganz viel Glück hat, hat vor Ort einen erfahrenen veganen Guide, der einen durch den Dschungel der Supermarktgänge lotst. Und auch online finden sich einige vegane Einkaufsführer für die konkreten verschiedenen Läden, so dass man zumindest weiß, wonach man Ausschau halten muss.
    Nicht verzagen, das wird!
  5. Lern kochen!
    Wer kochen kann, ist klar im Vorteil. Der bezahlbare vegane Convenience-Sektor lässt bisher noch ziemlich zu wünschen übrig. Wenn man nicht von Marmeladen-Toast und Röstie-Ecken leben will, sollte man sich – gerade, wenn das Budget knapp ist – auf das Küchenparkett vorwagen. Auch falls das für einen bisher unerforschtes Gebiet ist. Die gute Nachricht: Kochen ist kein Hexenwerk. Wie ich zu sagen pflege: Wer in der Lage ist, ein Küchenmesser zu halten und ein Rezept zu lesen, kann auch kochen. Und sobald man ein bisschen Erfahrung gesammelt hat, kann man auch anfangen, wild drauf los zu freestylen – und dann stehen einem annähernd unbegrenzte Möglichkeiten offen.
    Davon ab: Liebe geht durch den Magen. Es ist nicht von Nachteil, skeptische Omnis oder Veggies mit selbstgemachten veganen Köstlichkeiten zärtlich einzulullen.

    veganes Buffet
    Liebe geht durch den Magen! ♡
  6. Rückfälle & Konsequenzpanik
    Wie bei allen guten Vorsätzen, die man sich so nimmt, kann es auch beim Vegan-Umstieg passieren, dass man in einem schwachen Moment rückfällig wird. Vielleicht hast Du es nicht über Dich gebracht, ein freundlich gemeintes Essensangebot abzulehnen oder Du warst betrunken und hungrig und nicht im Vollbesitz Deiner Urteilskraft – Fallstricke, zumindest am Anfang, gibt es viele. Was nu‘? Ruhe bewahren. Die eine Möglichkeit ist natürlich, das Projekt Vegan als gescheitert zu betrachten, schmachvoll zur Salamipizza zurückgekrochen zu kommen und zu hoffen, dass einen die FreundInnen wegen diesem kurzlebigen Spleen nicht zu lange aufziehen werden. Oder man hakt den einen Fehltritt ab, checkt, wie man den das nächste mal umgehen kann und macht weiter. Easy. Wenn Du hingegen etwas gegessen hast, das sich im Nachhinein als unvegan herausgestellt hat: Mach Dir keinen Kopf. War ja keine Absicht.
    Ein anderer Punkt ist, je mehr man in die Thematik einsteigt, desto komplexer und frustrierender erscheint das Ganze – Tier steckt nämlich, gut getarnt, noch in viel mehr als in Fleisch, Eiern, Milchprodukten und Gelatine. Und dann gibt es ja noch den kompletten Nicht-Lebensmittel-Sektor! Da kann schnell das Gefühl aufkommen, dass man ja eigentlich gar nichts mehr essen, kaufen oder machen dürfte. Da kann man sich ebenso gut die Mühe direkt sparen und sich zum nächsten Hähnchengrill aufmachen, oder? Ruhe bewahren. 100% vegan geht ohnehin nicht, das kann man sich eh abschminken. Setz Dir erstmal Ziele, die für Dich erreichbar sind – ein Schritt nach dem anderen. Man schmeißt ja auch nicht die Schule hin, bloß weil man keine Aussicht auf einen 1.0-mit-Sternchen-Abschluss hat.
    Und die Omnis, die einen triumphierend darauf hinweisen, dass Brokkoli ja auch Gefühle hat und man den daher auch nicht essen dürfte, das wäre sonst inkonsequent™!! – na, die sollen einen eben nicht vollquäken und erstmal gucken, wie konsequent sie ihre eigenen ethisch-moralischen Wertvorstellungen umsetzen.
  7. Vernetz Dich
    Es kann einem schon sehr aufs Gemüt schlagen, wenn man als VeganerIn allein auf weiter Flur ist und sich womöglich noch ständig mit nervenden oder aggressiven Omnis herumschlagen muss. Außerdem kann man, wenn man gerade noch neu im Geschehen ist, jemand Erfahrenen gut gebrauchen, der einen bei der Hand nimmt und mit Rat und Tat zur Seite steht, wenn alles noch so neu ist und kompliziert und schwierig erscheint.
    Nun hat aber nicht jede/r das Glück, in einer der V-Hochburgen zu wohnen, wo sowieso jeder Dritte vegan ist. Aber nicht verzagen: Über die Sozialen Netzwerke und auch über die Suchmaschine der Wahl hat man gute Chancen, im Umkreis eine vegane oder tierrechtlerische Regionalgruppe zu finden, Stammtische, Aktionsbündnisse oder Vereine – oder auch einfach engagierte nette Einzelpersonen. Und auch wenn das nicht der Fall ist: Es ist schon eine riesengroße Hilfe, sich zumindest online in Foren, Gruppen und Communitys zu vernetzen und von der SchVarmintelligenz zu profitieren – sowohl, was die eigene Moral angeht, als auch für die ganzen praktischen Alltagsfragen. Du bist nicht allein!
  8. Sorg für Dich (und andere)
    Du musst nicht Ernährungswissenschaften studieren, aber ein paar Grundlagen zum Thema bedarfsdeckende vegane Ernährung sind schon wichtig. Keine Angst, es ist nicht sehr kompliziert. Im Wesentlichen gilt es, sich einfach vielseitig zu ernähren, B12 zu supplementieren und Lieferanten für omega3-Fettsäuren und Calcium sicherzustellen.
    Achte auch darauf, Dich nicht über Gebühr psychisch und emotional zu belasten. Wenn Du bereits vegan bist oder auf dem Weg dahin, ist es nicht nötig, Dir dauernd entsetzliche Schlachthaus-Videos reinzuziehen, wenn es Dich stark triggert. Du bist ja bereits überzeugt.
    Sich ständig solchen Bildern und Infos auszusetzen, kann schnell auch ins Kontraproduktive umschlagen. Mich z.B. machen solche Bilder ganz hoffnungslos, innerlich erstarrt und schwach – dadurch ist niemandem geholfen, weder einem selbst, noch den Tieren noch sonst irgendjemandem. Bei Veganismus geht es um Liebe und Leben – es gibt positivere und sinnvollere Möglichkeiten, sich zu engagieren, als sich mit schlimmem Input zu geißeln. Je nach persönlichen Ressourcen gibt es alle möglichen Optionen im Großen wie im Kleinen.
  9. Präparier Dich
    Das schwierigste an der ganzen Veganismus-Kiste ist, dass man dauernd unqualifiziert vollgelabert wird, online wie offline. Antivegane Bollos, omnivore „TierfreundInnen“, selbsternannte ErnährungsexpertInnen, paternalistische ÄrztInnen, besorgte Angehörige, Amateur-PsychoanalytikerInnen… Alle erklären einem ihre Ansicht zum Thema, was sie so essen, was sie brauchen und was sie niemals könnten, den „allerneuesten“ Vegan-Witz von vor 10 Jahren und überhaupt wie der Hase wirklich läuft, ohne dass irgendjemand danach gefragt hätte.
    Da man sich in solchen Situationen als VeganerIn leider oft in der Minderzahl befindet oder mit Pech auch noch in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Gegenüber steht, kann einen sowas ziemlich aus der Bahn werfen und fertig machen. Darum ist es wichtig, sich vorzubereiten und zu wappnen. Das gilt sowohl für die psychische und emotionale Ebene, als auch für die Bereiche Wissen, Rhetorik und Information. Belies Dich zum Thema, hinterfrage kritisch Deine eigenen Argumente, erde Dich und leg Dir mental eine glatte glänzende Rüstung zu, an der alles abgleitet, was Negatives (und Nerviges) in Deine Richtung gefeuert wird. Das kann einige Übung brauchen und auch etliche vermeintliche Niederlagen kosten, aber mit der Zeit wird es besser und man selbst wird besser.
  10. Genieß es!
    Veganismus ist nichts, wo man sich aufopferungsvoll dem Verzicht und der Selbstgeißelung hingeben muss. Ein (in diesem Punkt) reines Gewissen fühlt sich sehr gut an.
    Sei stolz darauf! Es gibt großartige neue Zutaten, Rezepte und Gerichte zu entdecken, auf die man früher nie gekommen wäre! Und all die wunderschönen Menschen, die man in Veganzusammenhang kennenlernen kann – feel the love. ❤